„Wir können etwas tun“ – Demo für Demokratie und Vielfalt in Eilenburg

LVZ, Delitzsch-Eilenburg

An diesem Nachmittag ist es in Eilenburg mit der beschaulichen Sonntagsruhe vorbeigewesen Ab 14.30 Uhr hat sich der Markt gefüllt. Es wurden Kabel gezogen. Die Polizei patrouillierte. Plakate wurden ausgepackt …

Schnell zeichnete sich ab, dass Eilenburg angesichts der Gefahr für die Demokratie nicht abseits stehen will. Abseits stellten sich – nicht nur am Sonntag in persona bei der Kundgebung, sondern auch schon im Vorfeld – aber andere.

Eilenburger stellen klar: Demokratie bedroht

Denn da war das urheberrechtlich geschützte Plakat des Bündnisses für Demokratie, Respekt und Vielfalt in einer gefälschten Version verbreitet worden. So war die Veranstaltung dreist in „1. Eilenburger Faschistentreffen“ umtituliert worden. In einer anderen Version war das Datum geändert worden.

Bei der Kundgebung verfolgte AfD-Stadtrat Ferdinand Wiedeburg nun mit einigen Gleichgesinnten das Geschen von der anderen Straßenseite. Sie hatten sich schon vor den Reden ihre Meinung gebildet: „Dort stehen doch nur die, die von den Problemen ablenken wollen.“

Doch das größte Problem sahen die Demoredner, die ihre politische Heimat von Linke bis CDU haben und die von Moderator Torsten Pötzsch angekündigt wurden, einhellig in der bedrohten Demokratie.

Demokratie braucht keine Alternative

SPD-Stadtrat Mathias Teuber hob als erster Sprecher vor etwa 400 Teilnehmern der Kundgebung hervor: „Demokratie und Politik sind keine Konsumgüter.“ Es reiche nicht aus, Steuern zu zahlen und regelmäßig ein Kreuz zu machen. Oben werde nicht geliefert, was unten bestellt wird. „Wir alle haben es in der Hand, etwas zu bewirken. In der Schule, auf Arbeit, in der Kommune, im ganzen Land.“ Er schlussfolgerte: „Zur Demokratie gibt es keine Alternative. Demokratie braucht keine Alternative. Demokratie braucht Demokraten.“

Eine nicht namentlich genannte Rinckart-Gymnasiastin stellte in ihrer kämpferischen Rede, bei der es auch um soziale und Geschlechtergerechtigkeit ging, ein Zitat des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer voran: „Ihr seid nicht schuld, an dem was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“

Kritik ist essenziell für Demokratie

Dass Antisemitismus plötzlich wieder ein Thema, alternative Fakten und Verschwörungstheorien weit verbreitet seien, das sprach CDU-Stadtrat Uwe Hofmann an. Er stellte dabei gar nicht in Frage, dass vieles besser sein könnte. „Kritik ist sogar essenziell für unsere Demokratie.“

Aber diese erfolge derzeit ohne Respekt. Seine Lösung: Haltung zeigen, widersprechen, wenn gehetzt wird, die Demokratie lebendiger machen. „Dazu brauchen wir sie alle.“

Mal nicht der Angst glauben

Pfarrerin Teresa Förtsch wünschte sich, dass sie mit Grundschülern, Konfirmanden und Musical-Mitwirkenden nicht Ideale bespreche, predige und singe, die dann Stunden später von der Wirklichkeit konterkariert werden. Sie träume davon, dass sich Menschen mit Liebe und nicht mit Hass begegnen. Und sie fragte: „Was würde passieren, wenn wir der Angst heute mal nicht glauben?“

„Total begeistert“ angesichts all derer, die gekommen waren, zeigte sich Yvonne Pötzsch, die das Mehrgenerationenhaus leitet. Das Haus stehe für einen Ort der Begegnungen aller Generationen, egal welcher Kultur und Weltanschauung. Sie freue sich, dass die leise Mehrheit hörbar werde. „Wir schweigen nicht, wir haben die Chance, füreinander einzustehen.“

Erst ein Jahr in Eilenburg lebt der Franke Kai-Uwe Tüchler (Bündnis 90/Die Grünen). Er verwies auf die Tafel am Rathaus, mit der an die Demonstrationen am 8. und 22. November 1989 in der Stadt erinnert wird. „Bisher sind in Deutschland 2,5 Millionen Menschen für Demokratie auf die Straße gegangen. Ich freue mich, dass Eilenburg jetzt dazu gehört.“

Die Tauchaerin Luise Neuhaus-Wartenberg (Die Linke) hatte vor einer Woche schon in Delitzsch gesprochen. In Eilenburg wiederholte die Landtagsabgeordnete und 3. Vizepräsidentin des Sächsischen Landtages ihre Mahnung: „Wir dürfen den Faschisten keinen Fußbreit überlassen.“ Laut und deutlich, auf der Straße und überall solle dies deutlich werden. „Es gibt kein ruhiges Hinterland in Sachsen.“

Den Schlusspunkt setzte dann Hubertus Wacker. Der Kospaer, der von 1994 bis 2015 als Oberbürgermeister (parteilos) die Stadt regiert hatte, dankte den Organisatoren, die den Mut gehabt hatten zu sagen: „Wir können etwas tun.“

Er erinnerte daran, dass es rechts denkende Menschen in der Stadt schon immer gegeben habe. „Doch wir dürfen nicht alle, die heute AfD wählen als Faschisten bezeichnen. Dies ist ein Fehler.“

Bei der Wahl zählt jede Stimme

Die letzten Jahre seien mit den vielen Krisen eine Herausforderung für alle gewesen. Die AfD verspreche einfache Antworten. Als Pensionär habe er Zeit, und er habe das Parteiprogramm studiert. Sein Fazit: Die AfD, die sich in ihrem Programm zum Beispiel gegen Subventionen aller Art ausspricht, den Bauern aber anderes suggeriert, sei keine Alternative.

Bisher würden die Wahlen oft auch wegen der geringen Beteiligung nicht das richtige Abbild der Meinung liefern. Sein Aufruf: „Bekämpfen Sie die AfD mit Ihrer Stimme. Jede Stimme zählt.“

Versammlungsleiterin Annett Krausenahm er damit das Schlusswort vorweg. Doch das war ihr angesichts der aus ihrer Sicht und der der Polizei ohne Zwischenfälle verlaufenen Kundgebung auch nicht wichtig.