Bericht der Fraktion DIE LINKE in Nordsachsen zum Kreisparteitag am 26.11.2011 in Laußig

Unsere 14-köpfige Fraktion besteht seit dem 01.08.2008, dem Tag der Gründung des neuen Landkreises. Sechs unserer Kreisräte und Kreisrätinnen kommen aus dem ehemaligen Kreis Torgau-Oschatz, acht aus dem Altkreis Delitzsch. In der praktischen Arbeit spielt diese unterschiedliche Herkunft kaum mehr eine Rolle – und das ist gut so! Ohne Übertreibung können wir sagen, dass wir uns von Anfang an als Team verstanden und in Verantwortung für das Ganze  gearbeitet haben. Dabei verschweige ich nicht, dass es auch uns schwerfällt, einen gemeinsamen Identifikationskern für das  schon etwas bizarre Fusionsgebilde Nordsachsen zu finden. Das KFZ-Kennzeichen TDO jedenfalls entfaltet diese  Wirkung nicht. Erst recht wird es schwierig, wenn zu Fraktions- oder Gremiensitzungen für die meisten Kreisräte Wegestrecken mit mindestens einer Stunde Fahrtzeit zurückgelegt werden müssen – wohlgemerkt für die einfache Strecke. Für die ehrenamtliche Arbeit ist dies eine echte Herausforderung.

Für unser Fraktionsbüro haben wir uns aus fahrpraktischen Gründen deshalb nicht die Kreisstadt, sondern den geometrischen Mittelpunkt unseres Landkreises ausgesucht: Eilenburg. Wir freuen uns, dass sich mit dem  LINKS.PUNKT, den wir gemeinsam mit dem Ortsverband Eilenburg und dem Kreisverband unserer Partei betreiben, eine etablierte Adresse unserer Fraktion mit gutem Zulauf entwickelt hat. Das Gleiche gilt für unseren on-line-Auftritt. Unsere Homepage ist erfreulich aktuell und wird täglich von mindestens 30, manchmal auch 60 Neugierigen besucht.

Wichtig für uns ist das Kreiswahlprogramm, welches ein Vorgängerparteitag 2008 in Torgau beschlossen hat. Natürlich lässt sich dieses höchst anspruchsvolle Programm mit unseren 14 Stimmen im 80-köpfigen Kreistag nicht eins zu eins umsetzen. Immerhin aber haben wir versucht -  und dies nicht erfolglos -  uns an den  in diesem Wahlprogramm beschrieben 10 Arbeitsrichtungen im Sinne einer radikal linken Realpolitik – so der letzte Landesparteitag in Bautzen – ich könnte genauso gut sagen einer dezidiert linken Gestaltungspolitik, entlang zu bewegen. Hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur einige Beispiele für unsere Anträge:

  • Antrag zur Überprüfung der KdU-Kosten, also der Kosten für Heizung und Unterkunft der HARTZ IV-Betroffenen – im Sinne der Sozialverträglichkeit und der Vermeidung von Zwangsumzügen;
  • Antrag zur schrittweisen Herabsetzung der Elternanteile bei den Schülerbeförderungskosten;
  • Prüfauftrag zur schrittweisen Einführung eines Sozialtickets im Kreisgebiet;
  • Antrag zur Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit im Bereich der Jugendförderung;
  • Antrag zur Neuausrichtung der Jobcenter als gemeinsame Einrichtung zwischen Bundesagentur für Arbeit und Landkreis mit dem Ziel, die HARTZ-IV-Betroffenen wieder in den 1. Arbeitsmarkt zu integrieren und deren Lage so erträglich wie möglich zu gestalten.
  • Eine andere wichtige Arbeitsrichtung für uns ist das öffentliche Thematisieren von Problemen über Anfragen und Berichterstattungen im Kreistag, und zwar zu Themen für die der Landrat zwar keine Gesamtverantwortung, wohl aber eine gehörige Mitverantwortung trägt. Dies ist uns z. B. bei der Breitbandversorgung mit schnellem Internet, beim Ärztemangel im ländlichen Raum und bei der Landwirtschaft gelungen und wird zum Hochwasserschutz  zum nächsten Kreistag  fortgesetzt.

Wie sicher bekannt ist, befindet sich unser Landkreis in einer dramatischen Haushaltssituation. Zum Jahresende 2011 werden wir immer noch knapp 107 Mio. Euro Schulden haben. Damit haben wir die mit Abstand höchste pro-Kopf-Verschuldungsrate aller 10 Landkreise, nämlich 514 Euro pro Einwohner – jenseits 250 Euro wird es kritisch.  Die rechnerische Tilgungsdauer für die Landkreisschulden beträgt gegenwärtig unvorstellbare 126 Jahre. Schon das dritte Jahr in Folge können wir unseren Haushalt nicht mehr schließen, die Lücke zwischen den Ausgaben und den Einnahmen im Jahr 2011, der sogenannte Fehlbedarf  beträgt rund 4 Mio. Euro und wird im nächsten Jahr auf über 6 Mio. Euro anwachsen. Allerfrühestens im Jahr 2015 wird der Kreishaushalt erstmals wieder ausgeglichen sein – allerdings unter eine Reihe höchst optimistischen Annahmen, die angesichts der sich abzeichnenden erneuten Rezession so sicherlich nicht eintreffen werden. Dieses Umfeld  hat natürlich auch das Wirken unserer Fraktion geprägt. Wir mussten uns insofern umstellen, als jetzt nicht mehr die Zeit war, kostenintensive Anträge wie z. B. zur Einführung eines Sozialtickets weiter zu verfolgen, so gern wir das auch getan hätten.

Wollen wir weiter ernst genommen werden – und das werden wir im Kreistag, das darf ich hier ohne Übertreibung sagen! – müssen wir jetzt zumindest zeitweise  eine Defensivstrategie fahren. Worum geht es dabei?


Bei aller Kritik an der unzureichenden Finanzausstattung der Kommunen durch das Land, die wir natürlich üben und bei aller Berechtigung einer kräftigen Landeshilfe für das klamme Nordsachsen, die wir unentwegt fordern kommen wir nicht umhin, uns gerade auch als LINKE Gedanken über die auch aus unserer Sicht notwendige Haushaltskonsolidierung zu machen.  Täten wir dies nicht, würde die Kommunalaufsicht, sprich die Landesdirektion Leipzig über kurz oder lang Zwangsmaßnahmen gegen den Landkreis bis hin zur Aussetzung der Selbstverwaltung vornehmen. Und es bestünde die große Gefahr, dass die neoliberalen Vorschläge der CDU, der FDP und teilweise auch der Freien Wähler und der SPD voll durchgreifen und die kommunale Selbstverwaltung  erdrosselt würde. Wir haben uns also dieser Mühe, diesem schmerzhaften Prozess  unterzogen und in der Arbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung konstruktiv mitgewirkt. Dabei gab es für uns wichtige Prämissen:


  • Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge und der so genannten freiwilligen Leistungen des Landkreises, also Kultur, Volkshochschule, Musikschule u. s. w.;
  • moderater Personalabbau entsprechend der abnehmenden Bevölkerung ja, dies aber nur sozialverträglich, hauptsächlich über Altersabgänge;
  • keine übermäßige Belastung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden über die Kreisumlage, die mit gegenwärtig rund 32,2% bereits die höchste in ganz Sachsen und damit absolut grenzwertig ist;
  • Erhalt der kommunale Betriebe und Beteiligungen, vor allem der drei kommunalen Krankenhäuser,
  • ausreichend hohe Investitionen in die Zukunft, vor allem in den  Bildungsbereich.


Ich verrate kein Geheimnis, dass wir erst ganz am Anfang dieses Konsolidierungsprozesses stehen und die Kuh noch lange nicht vom Eis ist. Wenn überhaupt wird dies frühestens  in den Jahren 2016/2017 geschehen.


Eine letzte Bemerkung. Seit rund zwei Jahren arbeiten alle Fachausschüsse und alle Kreistagsgremien in strikter Auslegung der Landkreisordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst zum Kreistag selbst, nachdem die Argumente ausgetauscht worden sind und die Meinungsbildung weitgehend zum Abschluss gekommen ist, werden die interessierte Öffentlichkeit wie übrigens auch erst die Presse zugelassen.  Wir halten diese Praxis für fatal, wird damit doch direkt dem Misstrauen in die gewählten Gremien und einer weiter anwachsenden Politikverdrossenheit Vorschub geleistet. Wie Beschlüsse entstehen und welche Abwägungen von Pro- und Kontra-Argumenten zu den jeweiligen Beschlüssen geführt haben, vor allem aber auch wie die jeweiligen Kreisräte und Fraktionen ihrem Wählerauftrag nachgekommen sind ist kaum mehr nachvollziehbar. Nicht zuletzt ist diese Praxis Wasser auf die Mühlen der NPD, der hier ohne Not Argumente gegen das System der repräsentativen Demokratie geliefert werden. Wir halten eine baldmögliche Änderung der Sächsischen Landkreisordnung, die eine generelle Öffentlichkeit der Ausschussarbeit mit nur ganz engen Ausnahmeregelungen vorschreiben sollte, für unabdingbar.


Mit einem ausdrücklichen Dank an meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Kreistagsfraktion und ganz speziell an Susanna, unsere Geschäftsführerin möchte ich meinen Bericht beenden.


Dr. Michael Friedrich