Schutzschirm für den Landkreis Nordsachsen. Beschlussvorschlag:

Fraktion DIE LINKE im Kreistag Nordsachsen

Der Kreistag des Landkreises Nordsachsen spricht sich dafür aus,

 

in Anbetracht der geplanten Beschlussfassung des Kreishaushaltes am 16.12.2020 für die Jahre 2021/2022 und der erst vier Monate später erfolgenden Beschlussfassung des Kommunalen Finanzausgleichsgesetzes (FAG) im Sächsischen Landtag

in Abstimmung mit dem Sächsischen Landkreistag und dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag alle Möglichkeiten der Verhandlungen mit dem Sächsischen Staatsministerium für Finanzen und anderen beteiligten Staatsministerien zu nutzen,

um angesichts der durch die Corona-Pandemie verursachten zusätzlichen finanziellen Belastungen des Kreishaushaltes und der absehbaren Mindereinnahmen durch Steueraus-fälle in den kreisangehörigen Kommunen, die damit einhergehende Verringerung der Finanzausgleichsmasse und der drohenden Absenkung der Kreisumlage insbesondere die folgenden Zusicherungen der Staatsregierung auf den Weg zu bringen und den Landrat zu unterstützen, ein entsprechendes Verhandlungsmandat wahrzunehmen:

 

1.         Sicherung der Finanzkraft des  Landkreises Nordsachsen mindestens auf dem  FAG-       Verbundmasseniveau  der Jahre 2019/2020 für die Jahre 2021 und  2022.           

 

2.         Verlängerung der gegenwärtig gültigen Regelungen zur Erleichterung  des 

            kommunalen Haushaltsrechts in Zeiten der Pandemie wenigstens bis Ende 2022.

 

3.         Sollten die in den Ziffern 1. und 2. beschriebenen Zusicherungen der Staatsregierung    bis zur geplanten Beschlussfassung des Kreishaushaltes  im Dezember 2020 nicht    erreichbar sein, spricht sich der Kreistag im Interesse eines genehmigungsfähigen          Haushaltes, der zugleich die Prinzipien von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit             beachtet, dafür aus, auf die geplante Aufstellung eines Doppelhaushaltes für die       Jahre 2021/2022 zu verzichten und nur einen Einjahreshaushalt für das Jahr 2021          aufzustellen.

 

Dr. Michael Friedrich

Fraktionsvorsitzender

 

 

Begründung:

 

Durch die Corona-Krise sind im Finanzplanungszeitraum 2021/2022  bis 2025 massive Steuerrückgänge in den Kommunen sowie Mindererlöse und Ergebniseinbußen der kommunalen Unternehmen und Beteiligungen zu erwarten. Die Sondersteuerschätzung  im September  2020 hat gezeigt,  dass Sachsen für die Jahre 2021 und 2022 mit insgesamt fast 670 Mio. Euro weniger Einnahmen rechnen muss als noch zur Steuerschätzung im Mai 2020 erwartet. Auch wenn für das laufende Jahr ein Plus von 332 Mio. Euro gegenüber der Mai-Steuerschätzung zu Buche steht, ist die Einnahmesituation des Freistaates und der Kommunen äußerst fragil und im Planungszeitraum mit vielen Unsicherheiten behaftet.

 

Es ist zu erwarten,  dass sich zeitverzögert die Verbundmasse für das FAG deutlich verringert   und gleichzeitig die Umlagegrundlagen der Kommunen für die Kreisumlage sinken. Dadurch besteht die Gefahr, dass die beiden wesentlichen Säulen für die Einnahmeseite unseres Landkreises  beeinträchtigt werden. Gleichzeitig leisten Gesundheitsämter, Ordnungsämter, Sozialämter, Feuerwehren, Schulen, KiTas, Krankenhäuser, der ÖPNV und viele andere kommunale Einrichtungen für die Gesellschaft zusätzlich existentielle Aufgaben im Sinne der kommunalen Daseinsvorsorge, die weit über die Beschaffung von Schutzausrüstungen, Desinfektionsmitteln und die Organisierung von Corona-Tests hinausgehen. Hierbei entstehen außerplanmäßig erhebliche Mehrkosten, für die die Kommunen und der Landkreis in Vorkasse gehen müssen und die bislang keineswegs vollständig durch das Land ausgeglichen werden. 

 

Mit dem am 05. Mai 2020 beschlossenen Kommunalpaket innerhalb des Corona-Bewältigungsfonds hilft der Freistaat Sachsen den Kommunen  mit einem Schutzschirm von 600 bzw. 750 Mio. Euro, mit dem nach Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände für das Jahr 2020 rund die Hälfte der pandemiebedingten Lasten - die Summe aus kommunalen Steuerausfällen und Pandemiemehrausgaben - allerdings in nur diesem Jahr ausgeglichen wird.  Auch die auf der Ebene des Bundes beschlossenen Maßnahmen wie z. B. die Übernahme von 75 % der Kosten für die Unterkunft und Heizung der HARTZ IV-Empfänger, der hälftige Ausgleich der Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen, die Hilfspakete für Schulhausinvestitionen, für die Krankenhäuser,  für den ÖPNV  und den Digitalpakt sind wichtige  und richtige Zwischenschritte, die gewährleisten, dass es im Jahr 2020 und voraussichtlich auch 2021 zu keinen größeren finanziellen Einbrüchen kommen wird. 

 

Für das Jahr 2022 und den mittelfristigen Finanzplanungszeitraum bis zum Jahr 2025 besteht diese Zuversicht allerdings nicht, zumal es den Betrieben und Firmen steuerrechtlich möglich ist, bei Gewinneinbrüchen Gewerbesteuervorauszahlungen innerhalb von 10 Jahren zurückzufordern. Hier sollte der Freistaat entschlossener den Kommunen Unterstützung gewähren und ihnen dabei auch für die absehbare Perspektive im Planungszeitraum 2021/2022, möglichst darüber hinaus bis  2025 ein höheres Maß an Planungssicherheit zusichern.

 

Die solide finanzielle Ausgangssituation Sachsens ermöglicht es, in der Krise konsequent antizyklisch zu agieren. Dies ist weiterhin im Interesse der Menschen in den Kommunen, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der notwendigen kommunalen Investitionstätigkeit  dringend geboten. Deshalb sollte im kommunalen Finanzausgleich die Verbundmasse mindestens auf dem Niveau der Jahre 2019/2020 verstetigt werden.  Dies bedeutet ausdrücklich keine  Außerkraftsetzung des bewährten, weil Planungssicherheit gebenden  horizontalen Gleichmäßigkeitsgrundsatzes (GMG I) im FAG, sondern dass generell mehr Geld in das System des kommunalen Finanzausgleichs gegeben werden muss. Gerechtfertigt ist dies auch deshalb, weil der Freistaat Sachsen in Zeiten der Nullzinspolitik relativ unkompliziert Kredite aufnehmen und sich refinanzieren kann, während dies für die Landkreise und die Kommunen aufgrund des restriktiven kommunalen Haushaltsrechts keineswegs in dieser Weise möglich ist.

 

Am 26.05.2020 hat das Innenministerium per Erlass das kommunale Haushaltsrecht in Zeiten der Pandemie temporär bis zum 31.12.2020 wesentlich erleichtert, vergl.  https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/237259. Diese Maßnahme hat den Kommunen und Landkreisen sehr geholfen und sollte unbedingt mindestens auf die Jahre 2021/2022 ausgeweitet werden, da die Corona bedingten Belastungen in dieser Zeit mit Sicherheit weiter bestehen werden. Generell sollte unabhängig von der Pandemie das kommunale Haushaltsrecht im Sinne der Stärkung kommunaler Eigenverantwortung  deutlich entschlackt und vereinfacht werden:

 

„Die Corona-Krise ist auch eine Chance, Regelungen auf den Prüfstand zu stellen und konsequent Bürokratie abzubauen. Unser gemeinsames Ziel mit den Kommunen, Städten und Landkreisen ist die Stärkung von Freiheit und Eigenverantwortung  auf kommunaler Ebene.“

 

(Innenminister Prof. Wöller am 27.05.2020)

 

 

Aus dem Bisherigen ergibt sich, dass ohne die belastbare Zusicherung  seitens der Staatsregierung  gemäß den Beschlussziffern 1. und 2. die Aufstellung eines Doppelhaushaltes für die Jahre 2021/2022 ein zwar rechtlich mögliches und sicherlich auch genehmigungsfähiges Unterfangen ist, dass sich jedoch nur mit erheblichen Einbußen an Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit realisieren lässt. Die Genehmigungsfähigkeit ist zwar ein notwendiges Kriterium für die Beschlussfassung der Haushaltssatzung, keinesfalls aber hinreichend, wenn erkennbar die Gefahr im Raum steht, dass das Transparenzprinzip bei der Haushaltsaufstellung  verletzt zu werden droht. 

 

Die Informationsvorlage  des Dezernats Verwaltung und Finanzen vom 27.08.20 in DS 3-I 029/20 zu Haushaltssatzung und Haushaltsplan des Landkreises Nordsachsen für die Haushaltsjahre 2021 und 2022 – Einbringung Entwurf  (1. Lesung) bestätigt diese kritische Einschätzung. Sie enthält eine Vielzahl sehr wohlwollender Absichtserklärungen, die jedoch wenig konkret und kaum untersetzt sind; die daher mit einem großen Fragezeichen versehen werden müssen (z. B. Vermeidung von Fehlbeträgen im Ergebnishaushalt, die zu einer signifikanten Reduzierung des Basiskapitals führen würden…,  gebremste Dynamik in Bezug auf die Entwicklung der Einnahmeseite infolge pandemiebedingter Auswirkungen…, ab 2023  ursprüngliche Wachstumsdynamik laut Orientierungsdaten Stand Oktober 20919…). 

 

Nicht umsonst wird die Beschlussfassung des Haushaltes auch als das „Königsrecht“ der Vertretungskörperschaft Kreistag bezeichnet. Aus diesem Grund wird der Beschluss von Ziffer 3 angeregt.